Dürfen wir Sie beraten?
Norbert Kytka
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In den letzten Jahren war mein Eindruck in Bezug auf das Verhältnis des Personalwesens zu künstlicher Intelligenz mehr das eines „Ja, aber“. Und mit ist sehr bewusst, dass viele Kollegen die Bedeutung der künstlichen Intelligenz für die HR-Tätigkeiten seit Jahren betonen. Bislang klang das für mich tatsächlich eher wie die Aussagen zum Thema autonomes Fahren – wenn man nur lange genug betont, dass die Realisierung kurz bevorsteht, liegt man irgendwann richtig. Doch wie sieht es jetzt aus, nachdem OpenAI in aller Munde ist?
Die HR Monkeys haben hier in Bezug auf Recruiting einige Zahlen zusammengetragen. So empfanden 58% der befragten Personaler die Systeme als eher „intransparent“. DSGVO-Themen empfanden 31% als schwierig in diesem Kontext. Dass die Personaler ein bisschen skeptisch auf dieses Thema reagieren, mag an den Erfahrungen der Vergangenheit liegen. Amazon hat im Jahr 2014 einen Recruiting-Prozess mit einer KI aufgesetzt, die jedoch aufgrund der antrainierten Beispiele, selbst diskriminierende Algorithmen angewendet hat. Wenn die Trainingsbeispiele in eine bestimmte Richtung zeigen, ist eine KI nicht in der Lage diesen Trend selbst zu korrigieren, sondern wird ihn verstärken (dazu auch hier mehr). Insbesondere die letzte Zusammenstellung macht deutlich, wie komplex das Thema tatsächlich ist und warum leichte Vorbehalte durchaus angemessen sind.
Der vielleicht am besten untersuchte Geschäftsprozess in Bezug auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz ist der Recruiting-Prozess (Beispiel aus der Computerwoche). Bereits im Jahr 2020 hat sich eine Studie der Universität Bamberg intensiv mit der Frage der Akzeptanz des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im Recruiting-Prozess beschäftigt. Noch etwas aktueller ist die Studie der IU Internationale Hochschule aus Erfurt. Und die Zahlen sind wirklich – vorsichtig formuliert – sehr überraschend. Etwa zwei Drittel der Befragten trauen dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Umfeld Recruiting nicht, 80% fühlen sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz weniger wertgeschätzt und nur knapp 42% der Befragten trauen Unternehmen, die künstliche Intelligenz im Recruiting-Prozess einsetzen.
Dabei gehen über 60% der Befragten davon aus, dass künstliche Intelligenz zukünftig häufiger eingesetzt werden wird, was wiederum 63% der Befragten nicht gut finden. Akzeptanz oder gar Begeisterung sieht anders aus, finde ich.
Die Zahlen der Studie der IU Internationale Hochschule machen deutlich, dass noch ein gutes Stück Weg vor uns liegt, bis wir von Akzeptanz des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im Personalwesen sprechen dürfen.
Dazu bedarf es sicherlich einer hohen Transparenz in Bezug auf genutzte Algorithmen und einem Training der KI, das frei von diskriminierenden Beispielen ist. Dazu kommt die Erkenntnis, dass bestehende Vorurteile, der an der KI beteiligten Menschen, durch diese Menschen bei der Entwicklung der KI weitergegeben werden.
Die Kunst wird außerdem darin liegen, zu verstehen, wann eine KI keine oder wenige Vorbehalte hervorruft – in der Studie der IU Internationalen Hochschule war die Akzeptanz der KI höher, je früher sie im Recruiting-Prozess eingesetzt wird. Bei der Formulierung von Stellenausschreibungen beispielsweise lag die Akzeptanz bei fast 70%, während sie beim Führen von Bewerbungsgesprächen auf 28% einbrach.
Ich habe mich in den letzten Tagen ein bisschen mit OpenAI ausprobiert. Dabei habe ich den Beschluss des BAG zur Arbeitszeiterfassung aus September 2022 als ein Thema gewählt, Trends für das Jahr 2023 und die Frage, was es an personalrechtlichen Neuerungen in 2023 in Deutschland gäbe.
Kurz: Ich war erstaunt, welch intelligente und ausgewogene Diskussionen zu diesen Themen mit dem ChatGPT möglich waren. Unstreitig erkennt man, dass bespielsweise die rechtlichen Änderungen im Jahr 2023 noch nicht antrainiert wurden, aber in Bezug auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts aus September 2022 waren die Antworten verblüffend präzise. Auch auf Fragen wie „Steht der Beschluss eher im Einklang oder im Widerspruch zu der EuGH-Entscheidung aus 2019?“ antwortet OpenAI klar und in meinen Augen auch rechtlich absolut sauber. Ich bin wirklich beeindruckt.
Bezogen auf die zu erwartenden HR-Trends für 2023 war OpenAI ebenfalls überzeugend. Egal ob nach den Trends von Gartner gefragt oder eine allgemein gehaltene Frage nach übergreifenden HR- Trends – die Antworten waren entweder richtig (siehe Gartner) oder zumindest überzeugend. Dass es immer den Hinweis auf weitere Trends gibt, fand ich eher positiv.
Was soll ich sagen? OpenAI hat meine Wahrnehmung zu dem Thema KI im Personalwesen verändert. Ich bin nicht ganz bei Todd Mitchem, CEO von AMP Learning and Development, der formuliert hat „Das ist, als ob die industrielle Revolution in die Dotcom-Ära einschlug und ein Baby dazu brachte, mit einer Million Meilen pro Stunde zu reisen“. Aber ich bin sicher, dass wir in drei Jahren Fragen wie „Was muss ich bei einer Pfändung beachten?“ nicht mehr ausschließlich Spezialisten im Unternehmen oder Spezialisten-Seiten im Internet stellen werden, sondern, dass Funktionen wie OpenAI angedockt an Produkte wie SuccessFactors diese Aufgaben übernehmen werden. Ein bisschen wie der Wandel vom Brockhaus zu Wikipedia. Ein bisschen Wehmut und Skepsis bleibt, wenn die „Wahrheit“ zukünftig von einer Maschine kommt.
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Michael Kleine-Beckel | HR-Experte | Michael.Kleine-Beckel@team-con.de